Als Barpianist gehe ich in diesen Räumlichkeiten regelmäßig seit 2010 ein und aus. Die Piano Bar ist tagsüber zum Kaffee geöffnet, ich spiele aber hauptsächlich abends, von 19 Uhr bis nach Mitternacht. Die Bar wird sowohl von Ansässigen als auch von Hotelgästen besucht, allein oder in Begleitung und aus ganz unterschiedlichen Gründen. Manch einer kommt für die guten Cocktails vorbei, um in einer Runde mit anderen zu feiern, oder den stressigen Tag entspannt ausklingen zu lassen. Manche kommen auch für die Musik.
Neben Stammgästen sehe ich häufig neue Gesichter. Manchmal ist viel los, ein anderes Mal bleibt es ruhig. Wann der Strom an Besucher*innen auf- und abschwillt, lässt sich im Voraus meistens nur schwer erahnen. Plötzlich explodiert es und genauso leeren sich die Räume der Bar mitunter nahezu unbemerkt. Das Team um Barchef Matthias Allgaier ist mir sehr ans Herz gewachsen. Einige sind schon so lange da, wie ich. André Todorovic beispielsweise. Er hat in der Piano Bar seine Ausbildung gemacht und ist nun bereits Bar Supervisor. Er dürfte meine Musik mittlerweile ziemlich gut kennen. Es amüsiert mich, wenn er meine Kompositionen mitpfeift, als wären es Gassenhauer.
Was sich grundsätzlich beobachten lässt: Es sind die Menschen, die die Atmosphäre in der Piano Bar ausmachen. So kann die ganz unterschiedliche Zusammensetzung des Publikums zu besonderen Momenten führen.
Zu meinen aufmerksamen Zuhörern zählt ein älterer Herr aus England, den es dann und wann in die Stadt am Rhein verschlägt. Er lässt sich stets einen Sessel direkt neben dem Flügel aufstellen und erfreut sich besonders an alten Swing-Stücken. Im Gegenzug erhalte ich für den Abend wunderbaren britischen Humor. (Dazu gesellt sich ein gutmütiger Zuspruch, den ich insbesondere bei Menschen beobachtet habe, die die Kämpfe des Lebens gefochten und nunmehr Interesse daran haben, dass sich ihr Gegenüber wohlfühlt.) Ein handschriftlicher Brief erreichte mich Wochen später nach unserer ersten Begegnung im Hotel. Unbezahlbar!
Geschmäcker, Befindlichkeiten und Hörgewohnheiten sind verschieden. Als Barpianist braucht es daher mehr als musikalisches Talent – nämlich vor allen Dingen ein Fingerspitzengefühl, dass auf die Hörerschaft reagiert, um die Atmosphäre des Augenblicks mitzugestalten. Man kann es natürlich nicht immer allen recht machen. Einem älteren Herren, der in die Piano Bar gekommen war, erging es offenbar auch nicht ganz so, wie er es sich vorgestellt hatte. Sein Fazit zu meiner Eigenkomposition Unusual Piano Groove: „Das klingt ja, als sei eine Platte gesprungen“.
Manchmal treten auch ganz unerwartete Gemeinsamkeiten zutage: Ein Stammgast arbeitet gelegentlich an seinem Laptop in der Piano Bar. Er kommt eigens für das schöne Ambiente. Trotz Arbeit hat er alle Antennen auf Musik gestellt und bemerkt es jedes Mal, wenn ich ein neues Stück präsentiere. Dann plauschen wir ein wenig. Zum ersten Mal nach meiner Komposition Peanuts Song. Aufgewachsen mit Charlie Brown und Co, war ich immer beschwingt und fasziniert von der Musik. Ohne etwas davon erzählt zu haben, sprach er mich nachdem Titel prompt darauf an, dass ihn das Stück an die Peanuts erinnere. Was für eine schöne Überraschung!